Volksstimme im Gespräch mit Guido Heuer (CDU), Vorsitzender des Gemeindesrates im Sülzetal
Aus der Volksstimme Wanzleben von Detlef Eicke
Gemeinderat und Verwaltung möchten in die Zukunft des Sülzetals investieren. Die soziale Infrastruktur soll modernisiert und Standortqualität für Wirtschaftswachstum geschaffen werden. Über Schwerpunkte der Gemeindeentwicklung sprach Detlef Eicke mit dem Osterweddinger Guido Heuer, Vorsitzender des Gemeinderates und Landtagsabgeordneter der CDU.
Volksstimme: Die Einheitsgemeinde Sülzetal hat ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert. Ihr Kommentar dazu?
Guido Heuer: Ich möchte allen Bürgern der Gemeinde Sülzetal zum 15-jährigen Bestehen ihrer Einheitsgemeinde ganz herzlich gratulieren. Die Gründung der ersten Einheitsgemeinde Sachsen-Anhalts war der richtige Weg, deshalb danke ich stellvertretend für alle Beteiligten unserem ersten Bürgermeister Erich Wasserthal für die hervorragende Arbeit in den letzten über zwanzig Jahren.
Es war sicher ein beschwerlicher Weg, acht einzelne Ortschaften auf die Zukunft eines gemeinsamen Sülzetals einzuschwören, aber es wurde geschafft. Sicher haben viele Bürger wie auch ich in den letzten Jahren viele Entscheidungen kritisiert oder angezweifelt, jedoch war es der richtige Weg. Bei allen Problemen, die wir im Zusammenwachsen immer noch haben, liegt es an uns, durch Zusammenhalt und Engagement unseren Kindern und Enkelkindern ein lebenswertes Sülzetal zu erhalten und weiter zu stärken.
Wir stehen auch aktuell wieder vor schwierigen Entscheidungen und Weichenstellungen, aber wir alle gemeinsam haben die Kraft und das Potenzial, diese Probleme zu meistern. Deshalb lassen Sie uns auch in Zukunft kontrovers diskutieren, aber letztlich auch entscheiden, denn Wankelmütigkeit sorgt nur für Stagnation und Rückschritt.
Volksstimme: Nach langem Ringen um einen verabschiedungsfähigen Haushalt ist dieser nun von der Kommunalaufsicht bestätigt worden. Welche Auflagen muss die Gemeinde Sülzetal erfüllen?
Guido Heuer: Die Bestätigung des Haushaltes 2016 ist die gute Nachricht. Jedoch bedarf es großer Anstrengungen, auch für 2017 einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erreichen.
Dafür müssen vor allem die an den 2016er Haushalt geknüpften Bedingungen erfüllt beziehungsweise terminlich untersetzt werden. Die wichtigste Voraussetzung ist die Erstellung der Eröffnungsbilanz. Diese ist auf einem guten Weg, so dass die Verwaltung einen Haushaltsentwurf 2017 etwa im November dem Finanzausschuss und dem Gemeinderat vorlegen können wird.
Weitere Auflagen sind die Schaffung einer Friedhofsgebührensatzung, die Senkung der freiwilligen Leistungen auf zwei Prozent – das entspricht etwa 300 000 Euro – die Anpassungen der Gebühren für Kindertagesstätten sowie der Grund- und Gewerbesteuern.
Betreffs der Elternbeiträge wird der Landtag im nächsten Jahr ein novelliertes Kinderförderungsgesetz beschließen, denn niemand kann ernsthaft wollen, dass die Elternbeiträge exorbitant wachsen.
Dieses sogenannte Kifög muss jedoch in engem Zusammenhang mit dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) gesehen werden, aber auch hier ist eine Novellierung in Arbeit. Sicher ist, dass das Land deutlich mehr Geld ins FAG geben wird.
Volksstimme: Bedeutet der genehmigte Haushalt für 2016 nun, dass die Gemeinde die Talsohle durchschritten hat? Immerhin hatte sie ein Haushaltsloch von mehreren Millionen zu stopfen.
Guido Heuer: Die Talsohle könnte erreicht sein, wenn wir beschlossene Maßnahmen wie die Senkung der freiwilligen Leistungen auch umsetzen. In einigen Bereichen wird es ein schwieriger, aber machbarer Weg. Hierfür ist es jedoch unabdingbar, dass alle, und hier meine ich vor allem die Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie die Verwaltung samt Bürgermeister, das große Ganze betrachten. Als Beispiel möchte ich hier das immer noch nicht vorhandene Gemeindeentwicklungskonzept nennen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Bürger mit Wahrheit und Klarheit besser umgehen können als mit Halbwahrheiten
Eine wichtige Voraussetzung ist die künftige Struktur der Kitas und Schulen und diese hat der Gemeinderat beschlossen. Und wie wichtig es ist, in diesem Zusammenhang regelmäßige Informationsveranstaltungen für unsere Bürger zu machen, hat die Bürgerversammlung in der Feuerwehr im Juni zum Thema Grundschulen gezeigt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Bürger mit Wahrheit und Klarheit, auch wenn diese manchmal schmerzhaft ist, besser umgehen können als mit einem ewigen Schlingerkurs und Halbwahrheiten. Hier ist künftig unser Bürgermeister gefordert, regelmäßig diese Veranstaltungen für Bürger, aber auch für Unternehmen durchzuführen.
Um unser Defizit zu senken und den Haushalt bis 2023 nachhaltig zu konsolidieren, bedarf es aber auch sich rentierender Investitionen. Dafür wird der Gemeinderat im Herbst eine Prioritätenliste beschließen. Für zwei Bauvorhaben, Grundschule Altenweddingen und Kita Langenweddingen, werden deshalb Stark III-Mittel beantragt. Klar muss aber auch sein, dass im Zuge dieser Beschlüsse auch die Reihenfolge der nächsten Vorhaben festgelegt wird.
Hier möchte ich nur einige nennen. Der Zustand der Sporthalle in Osterweddingen ist fast untragbar, die Verwaltung arbeitet zu Teilen in Containern, die hohe fünfstellige Summen im Jahr kosten und das bei milden Wintern. Die Kitas sind teilweise in einer miserablen Situation. Jeder Gemeinderat muss wissen, dass er hier eine große Verantwortung für die Zukunft des Sülzetals trägt und Engstirnigkeit oder Rückwärtsgewandtheit eine nachhaltige Entwicklung beeinträchtigen.
Volksstimme: Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschafts- und sozialstrukturelle Situation im Sülzetal?
Guido Heuer: Die wirtschaftliche Situation des Sülzetals ist nach wie vor angespannt. Jedoch gehören wir immer noch zu den stärksten zehn Gemeinden im Land. Hier werden viele denken, was erzählt der da, aber es ist so. Von einem 15 Millionen-Haushalt können viele nur träumen. Im Sülzetal haben wir strukturelle Probleme. Seit 2009 herrschte vornehmlich Stillstand, weil sich sowohl der Gemeinderat als auch Verwaltung und Ortschaften gegenseitig blockierten.
Als Beispiele möchte ich nur an die Ablehnungen von Schnittstellenprogramm und Breitbandversorgung im Jahr 2012 erinnern. Aber all das ist Schnee von gestern. Inzwischen ist diese Zusammenarbeit deutlich besser geworden. Um weiter voran zu kommen, müssen wir unser Ausgabeproblem mit der Umsetzung eines in diesem Jahr zu beschließenden Gemeindeentwicklungskonzept angehen und auf der anderen Seite müssen wir auch weitere Einnahmen generieren. Wir haben in diesem Jahr unseren größten Steuerzahler (Jägermeister) verloren, aber dafür ist es gelungen, neue Investoren ins Sülzetal zu locken.
Volksstimme: Welche Schritte sind Ihrer Ansicht nach zu gehen, um das Wirtschaftswachstum nachhaltig voranzutreiben und mehr Einnahmen für die Gemeinde zu generieren?
Guido Heuer: Für ein nachhaltiges Wachstum brauchen wir weitere Investoren, Zuzug von Menschen und eine moderne Infrastruktur. Unsere Gewerbegebiete müssen durch eine intelligente Wirtschaftsförderung in Zusammenarbeit mit dem Land und der Stadt Magdeburg vermarktet werden.
Den Zuzug von Menschen erreichen wir durch die Erschließung von neuen Baugebieten und der Entwicklung der alten Ortskerne
Den Zuzug von Menschen erreichen wir durch die Erschließung von neuen Baugebieten und der Entwicklung der alten Ortskerne, denn zu Atollen dürfen unsere Orte nicht werden. Betreffs der Infrastruktur bedarf es des schon erwähnten Gemeindeentwicklungskonzeptes, welches den Weg in den nächsten 15 bis 20 Jahren vorgeben wird.
Volksstimme: Ein viel diskutiertes Thema ist die Schulentwicklungsplanung für das Sülzetal. Angedacht ist eine Reduzierung von bislang drei auf künftig zwei Grundschulstandorte. Osterweddingen und Altenweddingen sollen erhalten bleiben, Langenweddingen soll geschlossen werden. Welche Gründe für diese Entscheidung führen Sie ins Feld?
Guido Heuer: Meine Intention war immer, Qualität geht vor Quantität. Politisch war ein Grundschulzentrum nicht durchsetzbar. Mit dieser von Ihnen genannten Struktur werden alle drei großen Ortschaften eine Schule haben. Aus meiner Sicht ist das eine sehr gute Lösung und die Kommune wird in die Lage versetzt, auch nicht zuletzt durch die Genehmigung des Haushaltes 2016 Fördermittel aus dem Stark III-Programm für die Grundschule Altenweddingen und die Kita in Langenweddingen mit sehr guten Erfolgsaussichten zu beantragen. Dabei muss aber allen klar sein, dass auch der Haushalt 2017 der Genehmigung bedarf und das ist beileibe kein Selbstläufer.
Volksstimme: Davon betroffene Einwohner befürchten durch diese Maßnahme einen Verlust an Attraktivität ihrer Ortschaft. Wie lautet Ihre Antwort?
Guido Heuer: Die Sorgen der betroffenen Eltern kann ich absolut verstehen. Es ist eine Entscheidung, die sich weder Verwaltung noch Gemeinderat einfach gemacht haben. Drei Grundschulen waren aus demographischer als auch aus finanzieller Sicht nicht darstellbar, da es keine Fördermittelgenehmigung geben würde und ohne diese wären Sanierungen oder Neubauten auf absehbare Zeit nicht möglich. Mit der geplanten Schulkonzeption glaube ich wirklich, dass wir für alle Beteiligten den besten Kompromiss gefunden haben.
Volksstimme: Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen gehören zu den Positionen, für die die Gemeinde mit erheblichen finanziellen Mitteln aufkommt. Wo muss gespart werden?
Guido Heuer: Wie Ihre Frage schon implementiert, liegt die Wahrheit in der Mitte. Auf der einen Seite könnten wir alle freiwilligen Leistungen streichen und das Defizit der Kommune läge immer noch im siebenstelligen Bereich. Dass das nicht möglich ist, versteht sich von selbst.
Aber wir müssen endlich mal bereits gefasste Beschlüsse, wie die Senkung der freiwilligen Leistungen innerhalb von drei Jahresscheiben auf 300 000 Euro auch umsetzen. Hierzu gehört einfach auch der Wille aller Beteiligten – von der Verwaltung hin bis zu jedem Verein – auch gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Es geht überhaupt nicht darum, das Vereinsleben zu ruinieren, sondern es für die nächsten Jahrzehnte abzusichern
Es geht doch überhaupt nicht darum, das Vereinsleben zu ruinieren, sondern es für die nächsten Jahrzehnte abzusichern. Und ich persönlich glaube fest daran, wenn jeder weiß, woran er ist, dann wird sich eine für die Zukunft tragfähige Lösung finden. Marco Falkenberg leistet als Sozialausschussvorsitzender gerade in diesem eine hervorragende Arbeit. Betreffs der Beteiligung der Vereine an den Betriebskosten wird es sicher noch in diesem Jahr eine gute und konkrete Lösung geben.
Aber auch bei den Pflichtausgaben muss der Hebel angesetzt werden. Die Kameraden der Feuerwehr haben hier durch die Gründung der Feuerwehr Süd schon Vorbildliches geleistet. Auch die perspektivische Struktur der Kitas wird hier im Rahmen des Gemeindeentwicklungskonzeptes auf Standortqualität und -quantität als auch Arbeitnehmerfreundlichkeit überprüft werden.
Auch ein Personalentwicklungskonzept und die Restrukturierung des Betriebshofes sind notwendig. Um es auch hier nochmal deutlich zu sagen, Neustrukturierung ist nicht gleichbedeutend mit Personalabbau.
Volksstimme: Ökonomische, demographische und organisatorische Verhältnisse sind auch für die Gemeinde Sülzetal künftig von großer Bedeutung und wirken sich auf die Haushaltssituation aus. Was ist zu tun, um diese in Zukunft stabil zu halten?
Guido Heuer: Die Gemeinde Sülzetal ist ein Teil des Landkreises Börde und von Sachsen-Anhalt. Daraus ergeben sich zwangsläufig Abhängigkeiten. Nur wenn es Sachsen-Anhalt und dem Landkreis Börde gut geht, hat Sülzetal die Chance auf eine positive Entwicklung. Wir müssen im Sülzetal unseren Beitrag für eine gute Entwicklung unserer Region leisten.
Hier gelten nach meiner Auffassung zwei alte Weisheiten: Man kann nur das ausgeben, was man einnimmt und Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. In der jetzigen Situation des Sülzetals heißt das Kostensenkung verbunden mit sich rentierenden Investitionen und Strukturanpassungen. Das ist sicher kein einfacher, aber machbarer Weg.
Aber auch der Landkreis und das Land sind in der Pflicht, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Und gerade im FAG bedarf es Anpassungen, denn eine eigentlich finanzstarke Gemeinde wie das Sülzetal hat das Recht, nicht für Konsolidierungsmaßnahmen auch noch zusätzlich belastet zu werden. Diese Schwachstellen im FAG gilt es auszumerzen frei nach dem Motto: Leistung muss sich lohnen.
Quelle: Wanzleber Volksstimme, erschienen am 07.09.2016, S. 18
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