Guido Heuer ist neuer Vorsitzender des Sülzetal-Gemeinderates. Die Volksstimme sprach mit ihm über seine politischen Ziele.
Volksstimme: Herr Heuer, was hat Sie bewogen, diese verantwortliche kommunalpolitische Aufgabe neben dem Vorsitz des Finanzausschusses anzustreben, den Sie seit Konstituierung des Gemeinderates innehaben und der in Zeiten der Haushaltskonsolidierung auch erheblichen persönlichen Einsatz erfordert? Zusätzlich kandidieren Sie für die CDU im Wahlkreis 20 (Wanzleben) als Spitzenkandidat für die im nächsten Jahr bevorstehende Landtagswahl, üben einen anspruchsvollen Beruf aus und wollen für Ihre Familie da sein. Wie lässt sich das alles vereinbaren?
Guido Heuer: Das Sülzetal ist meine Heimat und ich möchte meinen Beitrag leisten, dass sie sich weiterentwickelt und für die Zukunft gewappnet ist. Aktuell ist der Haushalt unser größtes Problem. Seit Jahren hat es die Gemeinde nicht geschafft, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Das ist zurzeit das drängendste Problem. Als Finanzausschussvorsitzender war ich in den letzten Monaten mit verantwortlich, dass wir es geschafft haben, einen Haushalt zu erarbeiten, der nicht erst im Dezember vorliegt, sondern schon im ersten Halbjahr. Auch wenn das noch zu spät ist und er durch den Gemeinderat beschlossen wurde. Trotz eines Defizites von etwa 3,6 Millionen Euro haben die Verwaltung und ich die Hoffnung, dass er vom Kreis genehmigt wird. Diese Hoffnung begründet sich im Haushaltskonsolidierungskonzept, welches zusammen mit dem Haushalt beschlossen wurde. Das Ziel ist, bis zum Jahr 2023 das Haushaltsdefizit auszugleichen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir das schon deutlich früher erreichen können. Dazu sind aber noch erhebliche Anstrengungen nötig. Das zweite Halbjahr wird aus meiner Sicht entscheidend sein, ob wir dieses Ziel erreichen.
Auf Ihre Frage, wie ich die Aufgaben neben meiner Kandidatur für den Landtag und meinem Beruf bewältige, kann ich nur sagen, mit vielen Stunden nach Feierabend. Privat bin ich Witwer, meine Tochter absolviert ihre Berufsausbildung in Lüneburg und meine Lebensgefährtin lebt und arbeitet in Leipzig. Daher bleibt für das Privatleben eigentlich nur das Wochenende. Eines kann ich jedoch versichern, ich bleibe Sülzetaler und werde meine Ämter mit aller Sorgfalt wahrnehmen und versuchen, unsere Gemeinde mit nach vorn zu bringen. Auch im Falle meiner Wahl in den Landtag, werde ich meine Arbeit für die Kommune zielgerichtet fortsetzen.
Wie wichtig ist die Parteipolitik in der Arbeit des Gemeinderates und wie wollen Sie vermeiden, dass Aspekte des bevorstehenden Landtagswahlkampfes die Arbeit des Gemeinderates bestimmen werden?
Wie ich schon direkt nach meiner Wahl zum Gemeinderatsvorsitzenden gesagt habe, werde ich dieses Amt überparteilich und im Sinne des gesamten Sülzetals ausüben. Parteipolitik sollte und muss in der Kommunalpolitik in die zweite Reihe rücken. Jedoch bin ich nicht ohne Grund Mitglied der CDU. Grundsätze meines Handelns werden weiter eine solide Haushaltsführung und Stärkung unserer Wirtschaftskraft sein. Denn nur dadurch werden wir in der Lage sein, die Wünsche im sozialen Bereich zu erfüllen. Das weiß auch jeder Bürger aus seinem Leben, man kann nur das Geld ausgeben, welches man einnimmt. Welche Folgen eine Überschuldung hat, sieht man nicht nur in Griechenland sondern auch in vielen Kommunen unseres Landes. Ich werde alles dafür tun, die Glaubwürdigkeit der Politik durch Ehrlichkeit und Verbindlichkeit in meinem Handeln, zu erhöhen. Mir liegt am Herzen, die Bürger mit auf die Reise zu nehmen, egal ob in der Kommunalpolitik oder vielleicht später auch im Landtag.
Man kennt Sie als streitbaren Kommunalpolitiker, der kein Freund der ganz leisen Töne ist. Vor wenigen Jahren haben Sie mitten in der Legislaturperiode Ihre Ämter niedergelegt, nachdem Sie festgestellt haben, dass auf Ortschafts- und Gemeinderatsebene Stillstand herrschte. Hat sich die Situation im Sülzetal so positiv entwickelt, dass Sie nunmehr sogar umfangreichere Aufgaben übernommen haben?
Zunächst möchte ich sagen, dass ich nur mein Ortschaftsratsmandat in Osterweddingen im Jahr 2012 niederlegt habe. Aufgrund von fundamentalen Differenzen mit dem Ortsbürgermeister hatte ich den Eindruck, es war verschenkte Zeit. Ich bin angetreten, um etwas zu bewegen und dieses Gefühl war mir komplett abhanden gekommen. Daher bin ich 2014 auch nur für den Gemeinderat angetreten, denn alles andere wäre unglaubwürdig gewesen.
„Als Gemeinderatsvorsitzender habe ich die Möglichkeit, meinen Beitrag zur Weiterentwicklung des Sülzetals zu leisten“
Im Gemeinderat, als Finanzausschussvorsitzender und jetzt als Gemeinderatsvorsitzender habe ich die Möglichkeit, meinen Beitrag zur Weiterentwicklung des Sülzetals zu leisten. Sie haben recht, ich bin ein streitbarer Politiker, jedoch, so glaube ich, immer in der Sache. Das macht doch aber Politik auch aus, oder? Was nützt es denn, wenn immer zu allem Ja und Amen gesagt wird. Nur durch eine sachliche Diskussion finden wir Lösungen im Sinne des gesamten Sülzetals. Ich bin der festen Überzeugung, dass unser Sülzetal ein riesiges Potential hat, welches wir nur endlich heben müssen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, wie die Diskussionen zwischen den drei großen Ortsteilen teilweise geführt werden. Ich möchte mit dafür sorgen, dass wir endlich auch in den Köpfen der Bürger sowie der Ortschafts- und Gemeinderäte eine Einheitsgemeinde werden. Auch müssen wir endlich die Unternehmen unserer Gewerbegebiete mit einbinden, denn ich bin mir sicher, dass diese sich das nicht nur wünschen, sondern auch wollen und erwarten.
Wie schätzen Sie die Leistungsfähigkeit der Verwaltung heute ein, von der Sie vor ein paar Jahren so stark enttäuscht waren?
In unserer Verwaltung gibt es nach wie vor Probleme. Auf der einen Seite fordert unser Bürgermeister einen Büroleiter, auf der anderen Seite brauchen wir einen externen Berater für die Doppik und den Haushalt. 2010 hatte ich mal gefordert, endlich mit der Einführung der Doppik zu beginnen. Seit 2013 ist diese eigentlich Pflicht. Aber wir haben bis heute keine Eröffnungsbilanz und keinen bestätigten Haushalt. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein ganz wichtiger ist zum Beispiel der permanente Wechsel der Amtsleiterpositionen. Im Bereich Finanzen haben wir mit Jana Gräbner jetzt eine Leiterin, welche in der Lage sein wird, diese Position qualitativ hochwertig auszuführen. Sie braucht nur Unterstützung vom Bürgermeister und den Räten. Hier sind wir aber, so glaube ich, auf einem guten Weg. In den anderen Ämtern ging es auch einen Schritt voran. Eines musste auch ich lernen, nur kritisieren ist keine Lösung. Mitarbeiten und Lösungsvorschläge erarbeiten, heißen die Zauberformeln. Die Verwaltung ist für die Bürger da, und die können verbindliche Aussagen erwarten.
Welche Ziele sollten im Sülzetaler Gemeinderat unter Ihrer Führung bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode erreicht sein?
Ganz klar der erfolgreiche Abschluss der Haushaltskonsolidierung. Dafür brauchen wir endlich ein beschlossenes Gemeindeentwicklungskonzept für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre, in dem sich jeder Ortsteil wieder findet. Deshalb hat der Gemeinderat jetzt mit großer Mehrheit beschlossen, den Entwurf aus 2012 fortschreiben zu lassen. Da diese Fortschreibung extern und ohne Lenkungsausschuss erfolgt, werden wir aller Voraussicht nach Ende September einen ersten Entwurf einer völlig neutralen Sichtweise von oben aufs Sülzetal und ohne Ortschaftsbrille vorliegen haben. Ich bin guter Hoffnung, dass wir noch in diesem Jahr ein Gemeindeentwicklungskonzept beschließen werden. Es wird sicher heftige Diskussionen geben, jedoch sollte es mit Vernunft aller Beteiligten möglich sein, dieses Ziel zu erreichen.
Halten Sie es für möglich, das Defizit in der Gemeindekasse durch Anhebung der Hundesteuer und höhere Gebühren bei der Friedhofsnutzung – um nur einige Beispiele zu nennen – auszugleichen, oder müssen nicht ganz andere Ansätze gefunden werden, die Finanzen zu konsolidieren?
Ganz klar nein. Ich stehe nicht für Steuererhöhungen. Ich vertrete die Position, dass die Kommune erst vor der eigenen Haustür kehren muss, bevor sie den Bürgern und Unternehmen in die Tasche fasst. Und wir haben genug Potentiale. Einige will ich hier kurz benennen: Senkung der Personalkosten, es ist der größte Posten im Haushalt mit etwa sechs Millionen Euro, durch ein solides Personalentwicklungskonzept. Dies heißt nicht automatisch Entlassungen, sondern den effektiven Einsatz von personellen Ressourcen in Verwaltung, Betriebshof und Kindertagesstätten. Auch die Konzentration auf die Kernaufgaben ist ein wichtiger Punkt. Dass die Gemeinde keine effektive Wohnungsbewirtschaftung hin bekommt, hat sie bewiesen. Daher hat der Gemeinderat beschlossen, einen Teil des eigenen Bestandes zu veräußern. Hier sind wir mitten in der Diskussion. Des Weiteren brauchen wir endlich einheitliche Konzepte und Satzungen für Schul- und Kindertagesstättenentwicklung, Nutzung von gemeindeeigenen Räumlichkeiten, Beteiligung der Vereine, hier wurde der erste Schritt getan, und bei den Friedhöfen. Aber auch die Nutzung von Spielräumen wie zum Beispiel bei Abschreibungen sollte endlich erfolgen.
Wie wichtig sind für Sie die Bürgerfragestunden vor und nach den Gemeinderatssitzungen? Wäre es nicht sinnvoll, Antworten, die nicht sofort gegeben werden können, bei der nächsten Sitzung öffentlich mitzuteilen? Dies würde dem Eindruck entgegen wirken, dass die Belange der Bürger ohnehin nicht ernst genommen werden.
Bürgerfragestunden sind für mich ein elementarer Bestandteil kommunaler Demokratie. Bei den Antworten gebe ich Ihnen zum Teil recht. Einfache Dinge können sofort beantwortet werden. Viele Fragen sind jedoch komplexer und hier sollte eine schriftliche Beantwortung an die Fragesteller erfolgen und auf der nächsten Sitzung öffentlich mitgeteilt werden. Dieses Thema werde ich aufgreifen.
Freiwillige Leistungen sind ein nicht unerheblicher finanzieller Teil, den die Gemeinde stemmen muss. Ebenso hat sie aber auch eine Daseinsvorsorge gegenüber ihren Einwohnern. Gefährdet die Notwendigkeit zum Sparen beispielsweise die Existenz der Freibäder?
Freiwillige Leistungen sind gut und wichtig, jedoch können wir uns nicht alles leisten. Im Moment funktioniert vieles nur noch über Fördervereine und Spenden. Es kann doch nicht sein, dass Eltern die Klassenzimmer ihrer Kinder malern. Das ist eine Pflichtaufgabe der Kommune. Und hier liegt des Pudels Kern. Zuerst muss die Gemeinde ihre Pflichtaufgaben wie Schulen, Kitas, Feuerwehren erfüllen und erst dann besteht die Möglichkeit für freiwillige Leistungen, wie der Name es schon sagt. Eines ist aber auch klar, ohne freiwillige Aufgaben geht es nicht. Der Gemeinderat hat einen im Finanzausschuss erarbeiteten Schlüssel beschlossen. In drei Jahren wird die Gemeinde noch 300 000 Euro für freiwillige Aufgaben zur Verfügung stellen, welche nach Abzug eines Sockelbetrages von je 30 000 Euro für die drei großen Ortsteile nach Einwohnerzahl verteilt werden sollen. So bekommen die bisher stiefmütterlich behandelten kleinen Ortschaften auch etwas. Diese Senkung wurde im Rahmen der Konsolidierung nötig. Wenn diese abgeschlossen ist und die Kommune Überschüsse erwirtschaftet, steht auch einer Erhöhung nichts im Wege. Wie diese freiwilligen Leistungen ausgegeben werden, wird nach der Sommerpause diskutiert. Die Freibäder sollten jedoch unbedingt erhalten bleiben. Das heißt aber auch, dass an anderer Stelle gespart werden muss. Hier stehen auch Pflichtaufgaben auf dem Prüfstand, um diese effektiver zu gestalten. Zum Beispiel bei den Feuerwehren, wo entsprechend der Risikoanalyse bereits gehandelt wurde. Hier appelliere ich an alle Räte und die Verwaltung, ohne Ortschaftsbrille alles auf den Prüfstand zustellen. Nur durch eine offene Diskussion werden wir es schaffen. Nur so können wir unsere Bürger überzeugen, auch ihren Beitrag zu leisten.
Auch die Schullandschaft hat sich geändert. Wie sieht Ihrer Ansicht die ideale Lösung im Sülzetal aus und favorisieren Sie ein Grundschulzentrum?
Dies ist das am meisten diskutierte Thema der letzten Jahre. Drei, zwei oder nur eine Grundschule? Bei mir steht ganz klar Qualität vor Quantität. Was nutzen uns drei mehr oder weniger marode Schulen. Eine Schule ist ein Standortfaktor. Hier kann es meiner Meinung nach nicht mehr um Sanierungen, sondern nur um Neubauten gehen. Wo diese Schule oder diese Schulen stehen wird oder werden, und oder ob wir einen Schulverbund, dass heißt eine Grundschule mit mehreren Standorten, schaffen, wird im Herbst nach der Vorlage des Gemeindeentwicklungskonzeptes diskutiert werden. Eines muss aber jedem klar sein, wenn das Geld auf der einen Seite ausgegeben werden soll, muss es vorher an anderer Stelle eingenommen oder eingespart werden. Ich freue mich auf diese Diskussion und hoffe nur, dass es möglich sein wird, diese sachlich unter Beachtung von Demographie, Schul- und Arbeitswegen und Lehrkonzepten zu führen. Wichtig ist doch, dass das Sülzetal interessant für Zuzug und Neuansiedlungen von Menschen und Unternehmen bleibt und wird.
Quelle: http://www.volksstimme.de/lokal/wanzleben/20150720/interview-haushalt-solide-fuehren-wirtschaft-staerken
von Volksstimme
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